2004 -2005

Und die Geschichte findet glücklicherweise ihre Fortsetzung! Im Dezember 2003 kehrte Sonia Hippler zurück nach Misiones  und wurde zur Koordinatorin des Projekts bestimmt. Aufgrund interner Probleme hat sie ihren Orden verlassen, dem sie 15 Jahre lang treu war – eine sehr schwierige persönliche Entscheidung für Sonia. Schon bald nach ihrer Heimkehr hatte sie im Projekt alle Hände voll zu tun. Da die von uns im März gegründete Organisation Eslabones Solidarios zu wenig Zeit hatte, richtig zusammenzuwachsen, blieben viele Aufgaben, die Sonia im Projekt früher erledigt hatte, auf der Strecke. Die Kantine funktionierte zwar nach wie vor gut und auch die finanziellen Abkommen mit Österreich wurden eingehalten, jedoch war die Anwesenheit der Mitglieder der Organisation im Projekt selbst sehr inkonstant. In dieser Zeit war auch der Missionar auf Zeit, Mathias Straub bei uns im Projekt, der leider die Unterstützung von der damaligen Projektleitung bekam, wie er sich das gewünscht hätte und somit nach einem halben Jahr die Stelle wechselte, was uns allen sehr leid tat. Die Erfahrung mit Mathias lernte uns, dass wir im Projekt erst klare Strukturen schaffen müssen, damit junge Menschen, die uns unterstützen wollen auch tatsächlich konkrete Arbeitsaufgaben bekommen.

Sonia lernte Anfang des Jahres 2004 die Organisation Conin in Mendoza

Kennen und vernetzte sich mit ihr, womit unser Projekt nun Teil dieser Organisation ist. Diese Organisation betreut ebenfalls Sozialprojekte in Armenvierteln und hat eigens ein Konzept dafür entwickelt, das sich schon seit 11 Jahren positiv bewährt.

Die Hauptidee ist, familienzentriert zu arbeiten, was bedeutet, dass den Eltern die Verantwortung für die Ernährung und Erziehung ihrer Kinder wieder zurückgegeben wird. Statt einer Kantine, wo die Kinder täglich gratis verköstigt werden, werden an die Familien Nahrungsmittel ausgeteilt, die individuell auf die Bedürfnisse der unterernährten Kinder abgestimmt sind.  Die Philosophie der Arbeit fußt auf drei Säulen (Ernährung, Bildung und medizinischer Versorgung – Forschung).

Nur die Familien, die bereits sind im Projekt mitarbeiten bzw. an den Bildungsangeboten die das Projekt anbietet teilnehmen, das Alphabetisierung, sowie Bewusstseinsbildung im Sinne von Hygiene, Ernährung, Sexualaufklärung inkludiert dürfen am Programm teilnehmen. 

Weiters müssen sich die Eltern auch bereit zeigen, die Kinder regelmäßig zur Schule zu schicken, selbst regelmäßig an der Alphabetisierung teilzunehmen und die Lebensmittel sachgemäß zu verwenden. Eine Ernährungswissenschaftlerin erklärt den Müttern wöchentlich wie sie welche Speisen mit welchen Nahrungsmitteln nahrhaft zubereiten können und besucht die Mütter auch in ihren Häusern, wo es natürlich an Hygiene, sowie halbwegs sauberen Kochmöglichkeiten mangelt.

In einem Haus, das meistens nicht einmal die Größe von 20 m2 besitzt wohnen teilweise bis zu 10 Personen! Die meisten Kinder schlafen – wenn sie Glück haben- zu viert in einem Bett oder irgendwie zusammengepfercht auf dem erdigen und feuchten Boden.

Aus diesem Grund versucht das Projekt nun auch die häuslichen Lebensbedingungen der Menschen zu verbessern. Eine Gruppe von Vätern hat sich jetzt im Viertel zusammengefunden und verbessert bzw. vergrößert die Häuser, die momentan am notwendigsten Hilfe benötigen. Denn ohne halbwegs saubere Lebensbedingungen nützen weder die medizinische Betreuung noch Lebensmittel.

Natürlich löst sich das Hygieneproblem mit der Vergrößerung des Hauses nicht – das Wasser in der Umgebung ist verseucht bzw. fault in zu niedrig gebauten Brunnen. Dazu kommt, dass die Menschen ihren Müll irgendwohin schmeißen und damit wiederum ihre Umgebung verschmutzen. Viele Menschen sind es auch einfach noch nicht gewohnt, ihr Haus, ihre Kinder und sich selbst kontinuierlich in Ordnung zu halten –die Lethargie, die hier häufig (aufgrund der Situation auch oft verständlicherweise) zu spüren ist, stellt ein großes Hindernis für unser Arbeit dar. An viele elementare Dinge (beispielsweise dass man die Kinder jeden Tag baden soll und sie auch regelmäßig ausreichend Nahrung und medizinische Kontrolluntersuchungen benötigen) muss regelmäßig erinnert werden. 

Seit September 2004 ist die Kantine, die zu einem kleinen Sozialzentrum ausgebaut wurde geschlossen und zu einem Lern – und Kreativraum geworden. Die Idee der Kantine wurde im Sinne der Organisation Conin zugunsten der Idee der Selbstversorgung der Familien geändert, um die Verantwortung für die Ernährung der Kinder wieder schrittweise an die Eltern zurückzugeben. Durch diese aktive Zusammenarbeit wächst für die Menschen nicht nur die Eigenverantwortung, sondern auch das eigene Selbstwertgefühl, wieder eigenständig etwas verändern zu können – ein sehr wichtiger  Aspekt dieser  Arbeit. (Link Eröffnung).

Aus dem Comedor Galilea ist das Centro de Prevención de la nutrición infantil – das Vorsorgezentrum Galilea geworden, das nun gemeinsam mit den Familien gegen Unterernährung bei Kleinkindern kämpft.

Derzeit sind 12 Familien mit 49 Kindern im Programm. Ein Team aus Spezialisten (Ernährungswissenschaftlerin, Sozialarbeiterin, Psychologin, Ärztin, Logopädin, Lehrerin) betreut die Kinder therapeutisch und schult, wie schon erwähnt, die Erwachsenen in Lesen, Schreiben und Rechnen, sowie in lebenspraktischen Dingen (Koch- und Backkurse aus einfachen Zutaten, Ackerbau, Nähen, Hygiene).

Weiter Arbeitsziele

- Verbesserung der Hygiene durch die Sanierung der Häuser und Trinkwasseraufbereitung, sowie Umweltschutz.

- Verbesserung der Infrastruktur (Ackerbau, Beschäftigungsmöglichkeiten wie z.B. in einer eigenen kleinen Schreinerei oder auch einer eigenen kleinen Schule).

Besonderen Wert wird auf Bewusstseinsbildung gelegt, die entweder regelmäßig in Gruppengesprächen mit den Müttern stattfinden (Verhütungsfragen, häusliche Gewalt, Weiterbildung), wie aber auch mit den Ehepaaren selbst in Einzelgesprächen.

Die Kinder werden regelmäßig von unserer Ärztin untersucht und gewogen, um sicher zu gehen dass die Lebensmittel tatsächlich für die Kinder verwendet werden und nicht etwa gegen Alkohol eingetauscht werden.

Das Team wird geringfügig von Österreich und Deutschland aus bezahlt und in Zukunft sollen kontinuierlich mehr Familien in das Programm aufgenommen werden, falls es die finanzielle Situation erlaubt.

Durch Kleiderverkauf, Losverkauf und vielen kleinen innovativen Aktionen, sowie Öffentlichkeitsarbeit in TV und Radio versucht das Projekt nach und nach auf eigenen Beinen zu stehen – was langfristig natürlich erreicht werden muss und kann.

Die Geschichte bleibt spannend, weil sich das Projekt stets weiterentwickelt und so gut es geht versucht, die Kinder ganzheitlich zu fördern und mit den Erwachsenen die Situation im Viertel positiv zu verändern und Mut zu geben.

Christiane hat die Entwicklung des Projekts bis zum Jahr 2003 in ihrer Diplomarbeit wissenschaftlich aufgearbeitet und (selbst) kritisch reflektiert. Die Arbeit trägt den Titel: „Vaya  desafío  (Komm her Herausforderung) – Entwicklungszusammenarbeit im Dialog – Möglichkeiten und Schwierigkeiten einer gemeinsamen Ent – wicklung dargestellt anhand des argentinischen Sozialprojekts Eslabones Solidarios!“.

Die Ergebnisse der Arbeit stellte sie dem Projekt im Oktober 2004 vor und diskutierte sie mit ihnen. Diskutiert wurde vor allem über Partizipationsmöglichkeiten der Menschen des Viertels sowie auch von unserer Seite. (Viele Entscheidungen sind nicht so leicht nachvollziehbar, wenn man nicht direkt vor Ort ist und die Situation nicht miterleben kann).

Was die Zukunft bringen wird? Vaya desafío!